Im letzten Jahr geschah jedoch etwas völlig unerwartetes. Als General Pinochet in London weilte, um in einer Privatklinik sein Bandscheibenproblem heilen zu lassen, wurde er festgenommen. Ein spanischer Richter hatte schon seit einiger Zeit gegen ihn ermittelt, da unter dem Terrorregime auch spanische Staatsbürger ermordet wurden, und nun stellte er einen internationalen Haftbefehl gegen den chilenischen Senator aus. Kurz darauf ersuchte auch die Schweiz um die Auslieferung Pinochets, um ihn für den Mord an einem Schweizer vor Gericht zu bringen. Eine Welle der Freude und der Entrüstung ging um die Welt. Die einen hoffen, dass endlich einmal Gerechtigkeit über das Kapital siegt, die andern sehen einen Verstoss gegen das Völkerrecht, da Pinochet als Senator angeblich diplomatische Immunität geniesse. Auch die USA fordern die Freilassung des Generals, aus Angst vor weiteren Enthüllungen über die Verwicklung Amerikas in die Menschenrechtsverletzungen unter Pinochets Herrschaft. Die spanische Regierung versucht ebenfalls, hinter den Kulissen ihren Untersuchungsrichter zurückzuhalten, um die traditionell guten Handelsverbindungen mit Chile nicht zu gefährden.
Die Reaktionen auf die Verhaftung des ehemaligen Diktators in Chile selber zeigten den tiefen Spalt der Gesellschaft. Auf Druck der Armee protestierte die Regierung mit allen Mittel gegen die Festnahme des Senators. Einige chilenische Anhänger Pinochets setzte auf den spanischen Richter ein Kopfgeld von einer Million Dollar aus. Währenddessen feierten auf den Strassen die Hinterbliebenen der Ermordeten und Verschwundenen die Verhaftung des Schlächters ihrer Väter und Mütter, Brüder und Schwestern.
äusserst lesenswert: ein Beitrag im Magazin vom 14. 11. 98 über die Reaktionen in der Schweiz.
Bisher mussten sich Diktatoren aus der Dritten Welt in Europa um ihre Sicherheit keine Sorge machen, auch wenn sie noch so blutige Hände hatten. Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren bis anhin für westliche Gerichte nur Kavaliersdelikte, wenn sich damit Geld verdienen liess.
Vielleicht ändert sich das ein wenig, das wird die Zukunft zeigen. Ob sich jedoch etwas ändert in der grundsätzlichen Wirtschaftspolitik gegenüber den ärmeren Ländern der Erde, so dass solche Diktaturen gar nicht erst entstehen können, oder von den westlichen Staaten sogar noch aktiv gefördert werden, scheint mir leider äusserst fraglich.
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